"Was starrst du Löcher in die Luft? Mach dir doch 'ne Serie an oder 'nen Film. Du siehst schon wieder so traurig aus." Er schaut mich an.
"Was? Ach... Nein, es ist alles okay, wirklich, ich glaub' das ist mein normaler Gesichtsausdruck."
"Nein, ist es nicht. Gerade in letzter Zeit schaust Du immer so traurig. Was geht in Deinem Kopf vor?"
"Ich weiß nicht. Nein, ich bin nicht traurig. Wie könnte ich auch? Ich hab doch Dich."
Und dann bricht, so wie so oft in den letzten Wochen, wieder einmal alles aus mir heraus. Meine Angst vor dem Studium. Dass ich es aufgrund meiner Motivationsloskeit, die ich Faulheit nenne, einfach weil es sich für mich so anfühlt, nichts schaffe was auch nur mit Lernen und Uni zu tun hat. Mein Ekel vor mir selbst. Der Hass und die Wut auf alles und jeden (aber am meisten auf mich höchstselbst), der Wunsch einfach für immer hier zu bleiben, in unserer chaotischen Wohnung, nie mehr mit jemandem zu sprechen. Wie schwer es mir fällt, das Haus zu verlassen, weil ich es satt habe, ständig eine lächelnde und gut gelaunte Maske mit mir rumzuschleppen, sie ständig griffbereit zu halten und ganz schnell aufzusetzen, sobald jemand in der Nähe ist, den ich nur im Entfernstesten kenne. Und dabei drückt und scheuert dieses Ding so sehr, dass ich es am liebsten in die Ecke feuern würde.
Wie furchtbar ich mich dabei fühle, ständig wegen 'NICHTS' loszuheulen, ihn runterzuziehen und zu nerven, dass ich es nicht packe mit ihm zu schlafen weil ich so eklig bin. Dass ich die egoistischste Person der Welt bin, weil sich 24/7 alles in meinem Kopf um mich dreht, um Essen, um mein (absolut widerliches) Speighelbild und mein Selbstmitleid. Dass er dabei auf der Strecke bleibt und wieder und wieder als mein seelischer Mülleimer fungiert.
"Meinst Du, ich merke es nicht, dass Du Dir diese Videos von verhungernden Mädchen anschaust?"
Das schockiert mich kurz, ich dachte ich hätte es gut versteckt. Ich drehe mich weg, es ist mir peinlich.
"Weißt Du... Ich... Finde das schön. Es bedeutet Stärke für mich. Stärke, die ich nicht mehr besitze. Kontrolle, die mir so sehr abhanden gekommen ist in letzter Zeit. Und die ich bräuchte um mich wenigstens nicht wie ein Totalversager zu fühlen."
"Nein, meinst Du wirklich, dass das ein erstrebenswerter Zustand ist? Du siehst es vielleicht nicht, aber ich sehe es, denn ich habe einen anderen Blick auf all das. Du hast seit wir uns kennen so viele Fortschritte gemacht..."
Ich lache los. Tränen aus Wutr und Ekel und Belustigung schießen mir in die Augen. Mein Ton wird bissig.
"Ja, fett bin ich geworden, alles andere ist viel schlimmer als damals."
Als wir uns kennenlernten wog ich 36 Kilo. Ich war vermutlich genauso ein Wrack wie jetzt, nur dass man es mir damals (körperlich) angesehen hat.
"Nein, bist Du nicht, verdammt. Du bist vielleicht auf einem guten Weg. Aber was ist mit Deinem Abi? Das hast Du geschafft, gut sogar. Du studierst jetzt und meisterst Dein Leben. Ist das etwa nichts ?"
Nein ist es nicht. Ich fühle mich wertlos, wie der letzte Mensch, weil ich in meinen Augen Nichts errreiche und mich immer nur selbstbemitleide. Es mit dem Essen nicht läuft und ich nicht mal zum Sport gehe, weil ich mich zu fett fühle. (Ha, wie paradox eigentlich.)
"Du bist hübsch. Und schlank." (ICH WILL ABER DÜNN SEIN!)
"Ich sehe das aber nicht. Ich habe es noch nie geglaubt, ich denke immer, die menschen die das sagen, lügen mich an. Ich kann es nicht glauben weil ich es nie tat."
"Du weißt, wie verletzend das für mich ist? Hör auf dich selbst immer so fertig zu machen. Du bist krank. Einfach krank, und das ist keine Schande. Das hängt alles damit zusammen."
Oh ja, ich weiß es. Aber in meinem Kopf ist das eine Lüge. Ich kann nicht anders als meinen Gedanken zu lauschen, die so laut sind, dass sie alles Andere schlichtweg übertönen.
Ich kann und will nicht glauben, dass es so einfach damit abgetan werden kann, dass ich 'KRANK' bin, denn krank bin ich für mich nur dünn (was Schwachsinn ist, ich weiß.). In meinem Kopf schreit alles FETT,EKLIG,DUMM,FAUL,DUKANNSTGARNICHTS,WERTLOS,UNNÖTIG,MONSTER,STIRB.
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